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Eliane blieb mit halboffenem Mund hinter dem Sitzungstisch stehen. Ihr Blick brannte auf seinem Rücken, der im Dunkeln des Ganges verschwand.

Auch Wildhaber blieb wie angewurzelt stehen, fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Eine Verlegenheitsgeste. Seine Augen trafen Eliane, die ihn gleich mit vorwurfsvoller Mimik bestrafte. Für einen Augenblick herrschte eine beklemmende Stille.

Eliane fühlte sich wie ein ausgezählter Boxer im Ring. Trotzdem regte sie sich als Erste und liess sich zurück in den Sessel fallen, schüttelte wortlos den Kopf. Zu ihrer Überraschung zog auch Wildhaber seinen Stuhl unter dem Sitzungstisch hervor und setzte sich nochmals an den Tisch. Die Türe zum Gang stand offen.

«Frau Rausch, weshalb ereifern Sie sich dermassen?» Wildhaber stützte sich mit beiden Armen auf dem Tisch auf, faltete seine Hände wie zum Gebet und neigte sich Eliane zu. «Bleiben Sie besonnen, hören Sie zu, analysieren Sie die Meinung der Kollegen. Und vor allem, halten Sie Ihr Ego im Zaum. In einem Machtkampf gegen Oberrichter Bräm ziehen Sie immer den Kürzeren.»

Eliane schaute ihm regungslos in die Augen. Sie realisierte selbst, wie aggressiv sie in den letzten Monaten war. Wie ihre persönliche Unzufriedenheit an ihrem Nervenkostüm zerrte, wie dünnhäutig sie reagierte. Der frühmorgendliche Rutsch in den Hydranten, ein deutliches Zeichen, der Punkt auf dem i. Wenn’s mal beginnt, schiefzulaufen, dann aber richtig.

«So kommen wir nicht weiter, Frau Rausch», setzte Wildhaber seine Predigt fort. «Ich kenne Oberrichter Bräm seit sicher sechs Jahren. Mehrmals haben wir in unterschiedlichen Gremien zusammengearbeitet. Sicher ist er nicht der Einfachste, zumindest nicht im Umgang mit jüngeren Mitarbeitenden. Aber ihn als unfair oder gar uneinsichtig zu betiteln, entspricht nicht meinen Erfahrungen mit ihm. Stacheln Sie ihn nicht weiter auf. Bleiben Sie sachlich und bestimmt, aber nicht stur und verbissen. Er hört Ihnen sehr wohl zu. Ich bin sogar überzeugt, er wägt Ihre Thesen nochmals von Grund auf ab.»
«Aber warum geht er nicht darauf ein?» Das Adrenalin pochte wild durch ihre Adern. «Warum diskutiert er nicht mit mir? Lässt mich auflaufen mit meinen Argumenten, als hätte ich keinen Schimmer von dem, was ich hier mache?»

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