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Erster Fall

Ein Knacken zwischen den Backenzähnen schreckt Eliane aus ihren Gedanken auf. Der Deckel des gelben Markers, den sie seit Minuten mit ihren Kauern malträtiert, ist in zwei Teile zersprungen. Der zunehmende Druck ihrer Zähne beraubte die Widerstandskraft des Plastikteils jeglicher Chance, sich in natürlicher Weise zu verformen.

Eliane hat schlecht geschlafen. Nicht nur diese Nacht, schon die letzten drei Nächte über. Offene Baustellen in ihrem Leben ist sie nicht gewohnt. Es ist, als fänden die Gedanken ihn ihrem Kopf keinen Ausweg, keinen Notausgang, kein bekanntes Verhaltensmuster, das zu einem Schluss oder zu einem Ziel führt. So drehen die Gedanken Runde um Runde. Ihr Studium verlief problemlos, zu Hause bei ihrer Mutter gab es mal Meinungsverschiedenheiten, aber kaum je Streit. Alles verlief in gewohnten Bahnen, folgte Regeln. Belasteten sie kleine Sorgen, so konnte sie mit ihrer Mutter darüber sprechen. Sie bekam Ratschläge, oder zumindest Ideen, Lösungsvorschläge. Jetzt sieht sie sich vor Baustellen, für die sie keine bekannten Lösungsmuster in ihrem Kopf abrufen kann. Wenn sie nicht stark abgelenkt wird, schmuggelt ihr Hirn die ungelösten Fragen immer von Neuem zielgenau in ihre Gedanken. Das passiert nachts, wenn sie versucht, einzuschlafen, genauso wie jetzt, als sie sich auf einen Text konzentrieren sollte.

Marcel weiß noch nichts von ihren Trennungsabsichten. Wie soll sie ihm das erklären? Was soll sie ihm denn sagen: „Ich habe einfach keine Lust mehr.“ Warum gerade jetzt? Es gibt weder einen wirklichen Grund noch einen Anlass, womit sie den Schlussstrich begründen könnte. Ohne einen neuen Partner könnte sie ja weitermachen wie bisher.

Dann das Verhalten von Schläpfer, dieses Schmollen ist ihr gänzlich fremd. Wie geht man damit um, wie verhält man sich gegenüber einem Vorgesetzten mit einem solchen Gebaren? Die Szene vor einigen Tagen, als sie im Türrahmen stand und er sein Mackergehabe demonstrierte. Nichts hat sich gebessert. Er grollt, geht ihr gezielt aus dem Weg. Das bildet sie sich nicht nur ein. Wie soll sie damit umgehen? Nochmals das Gespräch suchen, tun, als ob nichts wäre? Ihre Mutter nochmals um ihre Meinung fragen, mit siebenundzwanzig Jahren?

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